Heidelberg
+49 6221 - 439 198Aufarbeitung
2019 wurde vom AKJP Heidelberg eine Aufarbeitungskommission, das IPP München, damit beauftragt, die Vergehen des vor 25 Jahren entlassenen Leiters Dr. Hermann Fahrig aufzudecken und deren Hintergründe aufzuklären. 1993 wurde Dr. H. Fahrig von der Mitgliederversammlung gezwungen, das AKJP Heidelberg zu verlassen und seine Ämter niederzulegen.
Fast 30 Jahre mussten vergehen, in denen die Zeit H. Fahrigs einen Schatten über unser Institut geworfen hat, der aus Wut, Angst, Scham, Trauer, Ohnmacht, Hilflosigkeit und vor allem auch aus Schuldgefühlen bestand – und auch heute noch besteht.
Sicherlich waren diese emotionalen Betroffenheiten und Verstrickungen zum Teil ursächlich dafür, dass unzählige interne Aufarbeitungsversuche bislang gescheitert sind und scheitern mussten. Erst jetzt durch die Unterstützung von professionellen Organisationen konnte aufgedeckt und aufgearbeitet werden.
Durch das IPP München ist ein Bericht entstanden, der zum einen der Aufklärung dienen und Transparenz ermöglichen soll. Zum anderen wurde damit aber auch für uns ein Narrativ geschaffen, auf dessen Grundlage interne Aufarbeitungsprozesse stattfinden können.
30 Jahre wurde aber auch weggesehen, geschwiegen, verdrängt, abgespalten oder dem Institut einfach den Rücken gekehrt.
Dieses Schweigen hat mehrere Gesichter:
Schweigen, weil man nicht genauer hinsehen möchte…
Schweigen aus Angst, Überforderung und/oder Ohnmacht
Schweigen, weil man einer Generation angehört, die lange nach H. Fahrig Zeit am Institut ihre Ausbildung begonnen hat und tatsächlich nicht genügend über diese Zeit weiß….
Auch, wenn die nachfolgende Generation keine Schuld an den Vergehen des alleinigen Täters Dr. H. Fahrig trifft, so sind wir als Nachfolgegeneration dennoch in der Verantwortung, diesen Teil der Vergangenheit in die Geschichte unseres Instituts zu integrieren – das Institut als solches, aber auch jede/r einzelne für sich.
Intern wird die Causa Fahrig durch die Unterstützung des Ethikvereins Deutschland im Rahmen verschiedener Workshops und Supervisionen seit Anfang 2021 aufgearbeitet. Sicherlich braucht es hierzu viel Zeit, gegenseitiges Verständnis, neue Wege, Klärung, Loslassen und Bewahren in Form von daraus lernen im Sinne von Prävention.
Durch den Forschungsbericht wurde sehr deutlich, dass aufgrund der internen Überforderung mit der Causa Fahrig keine Offenheit nach außen transportiert wurde, so dass Betroffene damals entmutigt wurden, mit den Verantwortlichen am Institut in Kontakt zu treten. Hierzu möchten wir noch einmal aufrufen. Wir möchten Betroffenen eine Stimme geben, zuhören, da sein – auch heute noch (auf unserer Homepage sind AnsprechpartnerInnen genannt, die im Umgang mit Traumatisierungen vertraut sind).
Aber auch auf die Entfernung gilt diesen unser ganzes Mitgefühl und unser tiefstes Bedauern über das, was geschehen ist und durch die damals Verantwortlichen nicht verhindert wurde.
Unser Mitgefühl gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die durch Fahrig traumatisiert wurden und noch heute unter dieser Zeit leiden.
Unser Mitgefühl gilt allen, die im Rahmen der Aufarbeitung nun erneut mit den Traumatisierungen konfrontiert und belastet wurden und dennoch für die Forschungsinterviews zur Verfügung standen.
Unser Mitgefühl gilt allen Auszubildenden, die in den vergangenen Jahren unzureichend aufgeklärt werden konnten über diesen Teil der Institutsgeschichte und denen dadurch wichtige Identifikationsprozesse verloren gingen.
Seit 2017 arbeitet das AKJP Heidelberg nun gezielt an Präventionsstrategien und der Etablierung neuer Strukturen mit der Unterstützung des Ethikvereins. Vor allem aber ist uns wichtig, dass durch den gegenseitigen Austausch und das Sich-Mitteilen-Können an unserem Institut eine Atmosphäre der Offenheit, Transparenz und des Vertrauens herrscht, die unsere Arbeitsgrundlage bildet.
Wir bedanken uns bei all denen, die in irgendeiner Form zur Aufklärung mit beigetragen haben.
Stellungnahme DES AKJP-HD
StellungNAHME zum Podcast
„Das kranke System des Doktor F.“ vom 25. März 2025
Im Podcast von ZEIT ONLINE „Das kranke System des Doktor F.“ vom 25. März 2025 wird über sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch durch einen ehemaligen Institutsleiter der AKJP Heidelberg berichtet. Die Erzählweise und der gewählte Einstieg – etwa die Formulierung einer „Verbrecherbande in der altehrwürdigen Universitätsstadt Heidelberg“ – vermitteln den Eindruck, es handele sich um ein aktuelles Geschehen.
Tatsächlich liegen die zur Sprache gebrachten Vorfälle über 30 Jahre zurück: Der beschuldigte Hermann F. wurde bereits 1993 aus sämtlichen Leitungsfunktionen entlassen und aus dem Institut ausgeschlossen. Er verstarb im Jahr 2019. Die im Podcast gewählte Dramaturgie lässt diesen zeitlichen Kontext weitgehend unberücksichtigt und kann so zur Verunsicherung bei Zuhörenden führen.
Auch in anderen Punkten enthält der Podcast faktisch unzutreffende Angaben:
• Die AKJP Heidelberg wurde nicht von Manfred Müller-Küppers, sondern bereits 1949 von Annemarie Sänger gegründet.
• Die im Podcast mehrfach unterstellte Existenz eines „Systems Fahrig“ wird durch den wissenschaftlichen Aufarbeitungsbericht nicht bestätigt.
Wissenschaftliche Aufarbeitung: Institutionelle Verantwortung wurde übernommen
Die AKJP Heidelberg hat sich bereits vor mehreren Jahren der systematischen Aufarbeitung der Taten von Hermann F. gestellt. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) München wurde von 2019 bis 2022 ein unabhängiger, interdisziplinärer Aufarbeitungsprozess durchgeführt. Dabei wurden Betroffene aktiv einbezogen, Strukturen kritisch analysiert und institutionelles Versagen benannt.
Der Abschlussbericht wurde im Januar 2022 veröffentlicht:
Caspari, P., Dill, H., Caspari, C., Hackenschmied, G. (2022):
„Irgendwann muss doch mal Ruhe sein!“ Institutionelles Ringen um Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch an einem Institut für analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Springer Verlag.
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-35513-5
Unser heutiges Selbstverständnis: Schutz, Ethik, Verantwortung
Der Vorstand und die Geschäftsleitung der AKJP Heidelberg bedauern zutiefst, dass die Darstellung des Podcasts aus unserer Sicht unpräzise und einseitig dramatisierend ist und dadurch zu Irritationen bei Patientinnen und Patienten, Angehörigen, Auszubildenden und Mitarbeitenden führen kann. Wir nehmen diese Irritationen ernst und möchten versichern:
Unser Institut hat aus den Vorfällen vor über drei Jahrzehnten wichtige Konsequenzen gezogen.
Dazu zählen:
• die Einführung neuer Schutzmechanismen,
• die regelmäßige Überprüfung ethischer Standards,
• eine enge Zusammenarbeit mit externen Fachstellen,
• sowie strukturelle Transparenz in Ausbildung und Behandlung.
Wir wissen, dass Aufarbeitung nicht mit einem Abschlussbericht endet. Unsere Bemühungen bestehen darin, aus den Fehlern der Vergangenheit kontinuierlich zu lernen und den Umgang mit Macht, Verantwortung und Nähe in der therapeutischen Arbeit laufend zu reflektieren. Dabei ist uns bewusst, dass dieser Weg mit Demut, Selbstkritik und Gesprächsbereitschaft verbunden bleibt.
Der Vorstand und die Geschäftsleitung der AKJP Heidelberg